Schulklausur März 2016, Foto: Alexander Burzik
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Aktionen für Toleranz im Pride-Monat Juni 2023

gemeinsam bunt Bild von Steve Johnson auf Pixabay

Zusammenfassung:
Als Jenaplan- und Gemeinschaftsschule sind wir uns der Heterogenität unserer Schulgemeinschaft sehr bewusst und gehen konstruktiv damit um. Aber auch wenn wir Gemeinschaft und Achtung voreinander bewusst leben und fördern, sind auch bei uns Vorurteile und Abneigungen gegenüber queeren Menschen vorhanden. Das Ziel unserer Aktionen war es deshalb, durch Sichtbarkeit und Informationen über queere Menschen Toleranz zu vergrößern. Unsere Aktionen beinhalteten die Gestaltung des Schulhauses mit Rebenbogendekoration und informativen Tafeln. Außerdem gestalteten wir zwei Aktionstage mit Informationsständen auf dem Schulhof, an denen wir neben Infomaterial unsere selbst gestalteten Info-Flyer verteilten. Angeregt durch die Aktionen fanden einige Diskussionen in verschiedenen Schulklassen und mit Eltern statt. Leider wurden unsere Informationstafeln und die Dekoration teilweise wiederholt beschädigt, was uns bestätigte, dass unser Einsatz für Toleranz eine große Berechtigung hat und weiter fortgeführt werden muss.
Durch unser Engagement fanden zum ersten Mal Aktionen für mehr Sichtbarkeit und Toleranz für queere Menschen an unserer Schule statt. Die Aktionen sind von Schüler:innen ausgegangen und wurden von ihnen geplant und umgesetzt. Die Aktiven-Gruppe war ein loses Zusammenkommen von sechs bis zwölf engagierter Schüler:innen unter Begleitung einer Lehrerin, die sich in ihrer Freizeit getroffen, geplant, organisiert und die Materialien erstellt haben.

Genauere Beschreibung:
Ausgangspunkt war das Projekt "LGBTQIA+ Sei, wie du willst!", was in der schuloffenen Projektwoche im März 2023 auf Initiative von Schüler:innen stattfand. Ein Ergebnis dieses Projektes war, dass die Schüler:innen über Diskriminierungserfahrungen auch an unserer Schule berichteten und deshalb der Wunsch entstand, mehr für Toleranz zu tun. Auch wurde bemängelt, dass queere Liebe, Sexualität und Geschlechtsidentitäten im Unterricht bisher kaum Raum erhalten hätten und deshalb das Wissen vieler Schüler:innen darüber sehr unzureichend sei. So entstand der lose Wunsch, weitere Aktionen gemeinsam umzusetzen.

Ab Mai 2023 fanden mehrere Planungstreffen in Pausen und nach dem Unterricht statt. In diesen wurden Ideen für Aktionen diskutiert, über das Motto der Aktion abgestimmt, das weitere Vorgehen besprochen und geplant, Aufgaben verteilt. Über die Thüringer Schulcloud wurde gemeinsam an Flyern und Plakaten gearbeitet. Durch das gemeinsame Arbeiten wurde stetig versucht, Effekte des "Othering" zu vermeiden und altersangemessen und sensibel zu informieren. Die Schüler:innen beteiligten sich nach ihren eigenen Interessen und Kapazitäten. Externe Unterstützung durch Eltern und Lehrer:innen wurde von der begleitenden Lehrkraft gemeinsam mit den Schüler:innen organisiert. Eltern wurden per Email über die Schulelternsprecher:innen und über die Website der Schule informiert und zur Mithilfe angeregt.

So war die gesamte Schulgemeinschaft in die Aktionen eingebunden: Eltern unterstützten auf verschiedene Art und Weise, z.B. mit Stoffen für Banner, die außen an der Schule angebracht wurden, mit Tatkraft beim Dekorieren, mit inhaltlicher Arbeit an den Flyern, durch Spenden zum Druck der Flyer und Plakate. Auch der Förderverein unterstütze finanziell bei der Anschaffung von Dekorationsmaterial. Lehrer:innen unterstützen beim Dekorieren und an den Ständen.

Auf Grund unserer besonderen Schulart – als Gemeinschaftsschule vom ersten bis zwölften Jahrgang – bestand eine Schwierigkeit darin, das große Altersspektrum der Schüler:innen (1. bis 12. Jahrgang) angemessen zu bedienen: die Großen mit wichtigen und umfangreichen Informationen zu versorgen und dabei die Kleinen nicht zu überfordern. Durch das Verfassen der Flyer in zwei verschiedenen Varianten wurde versucht dies umzusetzen. Dafür wurde der Flyer durch ein darin erfahrenes Elternteil in einfache Sprache umformuliert.

Am Vortag der ersten Aktion wurden die drei Schulhäuser mit Bannern mit dem Spruch "Gemeinsam sind wir bunt" und Fahnen sowie Regenbogen-Dekoration aus Krepppapier geschmückt. Letztere wurde an diesem Nachmittag gemeinsam mit Eltern und Lehrer:innen gebastelt und aufgehängt. Der Stand und die dafür nötigen Materialien wurden vorbereitet.

Am ersten Aktionstag empfingen wir Schüler:innen und Eltern auf dem Schulhof mit Flyern und einer Infotafel. In den Flyern, die von uns selbst entworfen und gestaltet wurden, informierten wir über die Hintergründe der Aktion, Begrifflichkeiten, Anlaufstellen für queere Menschen in der Stadt, vor allem aber über Diskriminierung und was und warum man etwas dagegen tun sollte. Dieser Flyer wurde für die jüngeren und DAZ-Schüler:innen auch in einfacher Sprache verfasst und altersentsprechend ausgegeben. In der Hofpause standen wir als Ansprechpartner:innen mit reichlich zusätzlichem Informationsmaterial für alle Interessierten an einem Stand bereit.

Nach den ersten Beschädigungen der Infotafeln und Dekorationen im Schulhaus fanden in den folgenden Treffen der Gruppe viele Gespräche zum Umgang mit diesen Vorfällen statt. Diskussionen mit Mitschüler:innen, die z.T. wenig Verständnis für die Aktionen zeigten, wurden ausgewertet und mögliche Vorgehensweisen in kommenden Gesprächen besprochen. Die Gruppe beschloss, sich bewusst gegen die sichtbar gewordene Diskriminierung einzusetzen und einen weiteren Aktionstag durchzuführen. An diesem zweiten Aktionstag stellten wir als Leseanregungen zusätzlich Literatur aus, die sich mit queeren Themen beschäftigte. Außerdem hatten wir selbst gestaltete Sticker mit Aufrufen für Toleranz und Respekt als Geschenke dabei.

Auch wurde mit weiteren Aushängen auf die Zerstörungen und die damit einhergehenden diskriminierenden Effekte aufmerksam gemacht. Am diesem zweiten Aktionstag unterstützten dann auch viele weitere Lehrkräfte die Aktion und zeigten am Stand Präsenz. Schließlich sollte die Teilnahme der begleitenden Lehrkraft an der Elternsprecher:innenversammlung auch bei skeptischen Eltern für mehr Verständnis sorgen.

Wir hoffen, mit der weithin sichtbaren Dekoration (die Schule liegt direkt im Zentrum von Weimar) auch in die Stadt hinaus ein Zeichen gesetzt zu haben. Mehrere sehr positive Rückmeldungen von queeren Mitgliedern der Schulgemeinschaft bekräftigen, dass sie sich durch die Aktionen gesehen, bestätigt und angenommen fühlten. Die entstandenen Diskussionen in Klassen, auf dem Gang und mit und unter der Elternschaft machten es nötig, dass sich alle Beteiligten mit dem Thema auseinander setzten um ihre Position zu finden. Dass dabei nicht nur vorurteilsfreies und der Vielfalt zugewandtes Denken ans Tageslicht kam, betrübte uns zwar sehr, zeigte uns aber auch, wie richtig es war, die Aktion ins Leben zur rufen.
Für die Lehrerschaft ergab sich der Wunsch, den Umgang mit dem Thema Toleranz für Vielfalt in der Schule zu institutionalisieren. Daraus entstand ein Projekttag zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, der im September 2023 erstmalig für alle 8. Klassen stattfand. Er ist an den Sexualkundeunterricht angegliedert und wurde mit externen Partner:innen durchgeführt. Er soll jährlich wiederholt werden.

Wir möchten jährlich im Pride-Monat Juni Aktionen für mehr Sichtbarkeit und Toleranz gegenüber queeren Menschen an der Schule durchführen. Angedacht ist z.B. eine Gesprächsrunde mit Expert:innen, auch um die geäußerten Bedenken und Vorurteile mit Eltern und Schüler:innen zu besprechen. Beim nächsten Mal wollen wir noch stärker versuchen, sensibel mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Altersklassen umzugehen. Aber sowohl die negativen als auch positiven Reaktionen haben uns gezeigt, dass wir den Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung aller Lebens- und Liebesformen weiter fortsetzen müssen.